Rechtliches
Umsetzung der Initiative
Es gibt verschiedene Auffassungen dazu, wie die Initiative konkret umgesetzt würde. Der Bundesrat stellt sich in seiner Botschaft vom 15. März 2019 auf den Standpunkt, dass es hauptsächlich den kantonalen Gesetzgebern obliege, die Initiative umzusetzen. Dies, weil für die Nutzung des öffentlichen Raums die Kantone zuständig seien. Der Bund könnte aber auch ein Gesichtsverhüllungsverbot im Strafgesetzbuch verankern. Unumstritten ist hingegen, dass der Bund für die dem Bundesrecht unterstehenden Bereiche Strafrecht und öffentlicher Verkehr zuständig ist.
Die wichtigste Herausforderung wird sein, bei einer Annahme der Initiative den Volkswillen dahingehend umzusetzen, dass Zuwiderhandlungen gegen das Verhüllungsverbot landesweit einheitlich geahndet werden. Die Initiative schreibt bewusst nicht vor, welche gesetzlichen Anpassungen vorzunehmen sind, um den Gesetzgebern den nötigen Spielraum für eine praktikable Umsetzung zu überlassen. Klar nicht akzeptabel wäre, wenn das Verhüllungsverbot nicht einheitlich umgesetzt würde, z.B. wenn sich einige Rechtsorgane und Kantone über den glasklar formulierten Initiativtext hinwegsetzen würden. Das wäre klar verfassungswidrig.
Konkrete Sanktionen
Die Initiative «Ja zum Verhüllungsverbot» formuliert – wie es ordnungspolitisch korrekt ist – keine Sanktionen, die bei Zuwiderhandlung gegen das Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum auszusprechen sind. Das Strafmass bzw. den «Bussenkatalog» festzulegen, ist Sache des Gesetzgebers bzw. der Verordnungserlasser.
Im Kanton Tessin wird mit einer Busse zwischen 100 und 10’000 Franken bestraft, wer vorsätzlich gegen das Verbot verstösst. Im Umgang mit verhüllten arabischen Touristinnen wendet die Polizei das Gesetz zurückhaltend an. Zu Beginn wurden verhüllte Frauen unter anderem per Flugblatt auf das Gesetz hingewiesen und gebeten, sich daran zu halten. Bei erstmaligen Vergehen werden die Touristinnen höflich auf die Rechtslage aufmerksam gemacht statt dass sofort Bussen ausgesprochen werden. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass ausländische Gäste das Gesetz respektieren und den Gesichtsschleier anstandslos entfernen, wenn die Polizei sie dazu auffordert[1].
Ein in Frankreich 2010 verabschiedetes Gesetz untersagt das Tragen einer gesichtsverhüllenden Kleidung im öffentlichen Raum. Das heisst auf öffentlichen Strassen und an Orten, die öffentlich zugänglich oder für eine öffentliche Dienstleistung bestimmt sind. Verstösse werden mit einer Busse von höchstens 150 Euro bestraft. Wer dagegen eine oder mehrere andere Personen durch Drohung, Gewalt, Nötigung, Amtsmissbrauch oder Machtmissbrauch dazu zwingt, wegen ihres Geschlechts das Gesicht zu verhüllen, dem droht eine Freiheitsstrafe von einem Jahr oder eine Busse von 30’000 Euro[2].
Es ist folgerichtig, dass Personen, die anderen eine Gesichtsverhüllung aufzwingen, hoch bestraft werden, liegt hierbei doch ein massiver Eingriff in die Persönlichkeitsrechte vor. Ebenso richtig ist es, dass die Sicherheitsorgane das Gesetz gegenüber Touristinnen sorgsam und mit Augenmass anwenden. Vor diesem Hintergrund kann die Rechtsprechung des Kantons Tessin als Vorbild für eine nationale Gesetzgebung gegen Gesichtsverhüllung dienen.
[1] Quelle: https://www.swissinfo.ch/ger/verbot-der-gesichtsverhuellung_keine-burkas-mehr-im-tessin/42351162 (aufgerufen am 20.11.2020)
[2] Quelle: https://www.admin.ch/opc/de/federal-gazette/2019/2913.pdf (aufgerufen am 20.11.2020)