Freiheit, Rechtliches, Sicherheit

Kein Schaden für den Tourismus

In Debatten über ein nationales Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum wird häufig ins Feld geführt, dieses schade dem Schweizer Tourismus. Die Hotellerie sei immer stärker auf wohlhabende Besucher aus dem arabischen Raum, deren Frauen sich teilweise ganzkörper-verhüllt in der Öffentlichkeit bewegten, angewiesen. Es wird oft die Befürchtung geäussert, bei Einführung eines Verhüllungsverbots würden diese Personen nicht mehr in die Schweiz einreisen, was zu Einnahme-Ausfällen führe.

Abgesehen davon, dass der Tourismus aufgrund der Coronakrise weltweit zusammengebrochen ist und die Reisefreiheit bis auf Weiteres ohnehin stark eingeschränkt bleibt, verzeichneten Staaten, die Verhüllungsverbote eingeführt hatten, in der Vergangenheit keine spürbar negativen Auswirkungen auf den Tourismus. So war Frankreich, wo ein Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum seit 2011 in Kraft ist, im Jahr 2019 mit rund 90,2 Millionen internationalen Besuchern erneut das beliebteste Reiseziel aller Nationen.[1] Österreich, wo ein Verhüllungsverbot seit 2017 gilt, verzeichnete 46,2 Millionen Touristenankünfte im Jahr 2019[2]. In beiden Ländern hat die aus dem Tourismus resultierende Wertschöpfung in den letzten Jahren (vor der Corona-Pandemie) stetig zugenommen.

In der Schweiz fielen im Jahr 2018 2,5 Prozent aller Logiernächte auf Touristen aus Ägypten, Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Im Jahr 2019 waren es rund 2,3 Prozent.[3] Die Schweizer «Hot Spots» für arabische Touristen sind Genf, Interlaken, Luzern und Zürich, wo deren prozentualer Anteil am Tourismusvolumen teilweise wesentlich höher als im Landesschnitt ist. Wenn es darum geht, fundamentale Fragen des Zusammenlebens in unserem Land zu klären, wäre es also falsch, bei diesen Dimensionen eine existenzielle Drohkulisse heraufzubeschwören.

Die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» so zu formulieren, dass für Touristen Sonderbestimmungen gälten, wäre rechtsstaatlich bedenklich gewesen. Wir wollen keine Ungleichbehandlung von in der Schweiz lebenden Menschen und Touristen.

Die Attraktivität der Tourismusdestination Schweiz hängt von vielerlei Faktoren ab: von der Schönheit der Landschaften, der ausgebauten Verkehrsinfrastruktur, den Freizeit- und Ausgehmöglichkeiten, der Sauberkeit, der Preis-/Leistungsverhältnisse, der Kulinarik – und nicht zuletzt von der Qualität der Hotellerie in Sachen Service und Freundlichkeit des Personals. Ganz zentral ist zudem der Aspekt der Sicherheit. Die stabile innere Ordnung der Schweiz ist einer der wesentlichen Faktoren, weshalb ausländische Touristen unser Land so gerne besuchen. Gerade in Zeiten akuter Terrorgefahr – nach den Anschlägen in Berlin, Nizza, Paris und Wien im Spätjahr 2020 – darf niemandem in der Schweiz zugemutet werden, im öffentlichen Raum einer ganzkörper-verhüllten Person zu begegnen!

Das schreckliche Messer-Attentat von Lugano (November 2020) und der islamistisch motivierte Mord in Morges VD (September 2020) haben gezeigt, dass auch die Schweiz nicht länger vor islamistischem Terror gefeit ist. Auch bei uns können unschuldige, normale Menschen heutzutage am helllichten Tag und in aller Öffentlichkeit völlig unerwartet den physischen Attacken geisteskranker Fanatiker zum Opfer fallen.

Konkrete Auswirkungen auf den Tourismus

Von Verhüllungsverboten konkret betroffen sind fast ausschliesslich Touristen aus arabischen Ländern (Saudi-Arabien und die Golfstaaten). Relevant ist aus diesem Grund eine Analyse, wie sich das «touristische Marktvolumen» dieser Personengruppe entwickelt hat, nachdem Reisedestinationen ein Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum beschlossen haben.

Österreich und Frankreich

In Österreich ist ein Verhüllungsverbot seit dem 1. Oktober 2017 in Kraft. Die Zahl der Ankünfte arabischer Gäste ist seither stabil geblieben. Von 2017 bis 2019 haben die Übernachtungen dieser Gäste dagegen leicht abgenommen: Von 1,32 auf 1,28 Millionen.[1]

Der Einfluss arabischer Gäste auf das Bruttoinlandprodukt ist weiterhin im Steigen begriffen. Sie gelten auch in Österreich als überdurchschnittlich zahlungskräftig. In Zell am See geben beispielsweise Gäste aus Saudi-Arabien 245 Euro pro Tag aus – das ist doppelt so viel, wie andere Touristen durchschnittlich ausgeben.[2]

In einigen Regionen dominieren sie seit einigen Jahren das öffentliche Bild. Dort hat die Zahl der Gäste seit dem geltenden Verhüllungsverbot sogar zugenommen. Machte die Polizei verschleierte Frauen auf das geltende Verbot aufmerksam, wurde dies meistens akzeptiert und die Frauen nahmen ihren Schleier ab.[3]

Der Schweizer Tourismus-Verband hat in einem Positionspapier von 2018 festgehalten, dass Frankreich nach Einführung des Burkaverbots keine negativen Folgen auf die Besucherströme arabischer Touristen verzeichnet hat. Man habe «keine direkten Auswirkungen feststellen» können.[4]

Trotzdem stellen sich Schweizer Tourismus-Organisationen gegen ein Verhüllungsverbot – primär aus Image-Gründen. Sie befürchten, die internationale Berichterstattung über die Abstimmung könnte dem Ruf der Schweiz als gastfreundliches Land schaden. Mit Verweis auf die Erfolgsgeschichten in Frankreich und Österreich sind diese Ängste unbegründet. Vielmehr befände sich die Schweiz mit einem Verhüllungsverbot in bester Gesellschaft.

Tessin

Arabische Touristen haben zweifellos auch im Kanton Tessin an volkswirtschaftlicher Bedeutung gewonnen: Sie geben auch in der «Schweizer Sonnenstube» pro Tag mehr Geld aus als alle anderen Touristengruppen. Nachdem die Zahl der Logiernächte von Gästen aus Ägypten, Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emirate über Jahre laufend zugenommen hat, wurde der Höchststand im Jahr 2016 erreicht – mit rund 47’000 Übernachtungen. Seither haben sich die Zahlen stabilisiert, bevor es im Jahr 2019 zu einem schweizweit feststellbaren Einbruch kam[5]. Dieser hatte allerdings nichts mit der Burka zu tun. Die Hitzewelle in Mitteleuropa sei in den Golfstaaten stark thematisiert worden. Die sich in den Sommermonaten nach Abkühlung sehnenden arabischen Touristen wichen deshalb vermehrt ins nördliche Deutschland und nach Frankreich aus.[6]

Zwischen 2014 und 2019 machten Touristen aus den genannten arabischen Staaten im Schnitt 1,8 Prozent aller Logiernächte im Kanton Tessin aus. Demgegenüber ist die Inlandnachfrage am grössten und stabilsten: Touristen aus der Schweiz sorgen seit Jahren für fast zwei Drittel aller Übernachtungen in der Hotellerie. Der damalige Direktor der Tourismusbehörde «Ticino Turismo» relativierte die Auswirkungen des seit 2016 geltenden Verhüllungsverbots zusätzlich mit der Aussage, dass «längst nicht alle Touristinnen aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten das Gesicht auch tatsächlich bedecken.» Der Direktor stellte klar: «Die Mehrheit der Touristen aus diesen Ländern betrifft das Verhüllungsverbot eigentlich nicht.»[7]

Falsche Drohkulissen

Die Frage, ob ein nationales Verhüllungsverbot dem Schweizer Tourismus und dem Image des Landes im Ausland generell schade, ist in Anbetracht aller Fakten mit nüchterner Gelassenheit zu beurteilen. Schon im Kontext der Volksabstimmung über ein Minarettverbot im Jahr 2009 warnten Tourismusvertreter und Politiker im Falle einer Annahme vor drohenden Umsatzeinbrüchen und negativen Folgen für die Schweizer Exportwirtschaft in muslimischen Ländern – und speziell in den Golfstaaten.

Nun, elfeinhalb Jahre später, kann man ruhigen Gewissens sagen, dass von diesen Angstszenarien rein gar nichts eingetroffen ist. Nicht nur die touristische Entwicklung machte gewaltige Fortschritte. Auch die Exporte in muslimische geprägte Staaten im Allgemeinen und in die Golfstaaten im Speziellen sind sprunghaft angestiegen. In die Vereinigten Arabischen Emirate exportierte die Schweiz zwischen 2010 und 2019 im Jahresdurchschnitt Güter im Wert von 4,7 Milliarden Franken. Das sind mehr als doppelt so viele als im Referenzjahr 2009, als die Diskussion über das Minarettverbot für internationale Schlagzeilen sorgte. Nach Saudi-Arabien sind die Exporte der Schweiz im gleichen Zeitraum um über 80 Prozent gestiegen.[1] Und all diese Erfolge resultierten trotz «Franken-Schock» und hohem Schweizer Preisniveau.

Zentral für die Abnehmer der Schweizer Exportindustrie in den arabischen Staaten sind Qualität, Stabilität, Zuverlässigkeit und das Preis-/Leistungsverhältnis der Produkte. Es spielen simple marktwirtschaftliche Gesetze, vor denen sich die Schweizer Exportunternehmen im internationalen Vergleich bekanntlich keineswegs verstecken müssen.

Entgegen anderslautenden Behauptungen achten die meisten Muslime die nationale Souveränität der Schweiz und akzeptieren unsere Volksentscheide. Sie erkennen, dass sowohl das Minarett- als auch das Verhüllungsverbot die Religionsfreiheit in keiner Weise tangieren. Wer meint, ein europäischer Staat, welcher sich mit einem nationalen Verhüllungsverbot auf seine abendländisch-gewachsenen rechtlichen Rahmenbedingungen besinnt, erzürne die Muslime der ganzen Welt und schwäche die nationale Wirtschaft, schätzt die Lage völlig falsch ein. Genauso, wie die meisten muslimischen Staaten ausländischen Touristen unmissverständlich ihre Regeln aufzeigen, respektieren diese, wenn ein mitteleuropäischer Staat wie die Schweiz seinerseits für seine Gäste gewisse verbindliche Hausregeln aufstellt.

[1] Quelle: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/industrie-dienstleistungen/aussenhandel.assetdetail.13007307.html (aufgerufen am 23.11.2020)

[1] Quelle: https://www.austriatourism.com/maerkte/markt-arabische-laender/ (aufgerufen am 23.11.2020)

[2] Quelle: https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/arabische-touristen-in-oesterreich-in-zell-am-see-begegnen-sich-kulturen-13131912.html (aufgerufen am 23.11.2020)

[3] Quelle: https://www.blick.ch/wirtschaft/bald-stimmt-die-schweiz-darueber-ab-trotz-burka-verbot-besuchen-mehr-arabische-touristen-oesterreich-id15095760.html (aufgerufen am 23.11.2020)

[4] Quelle: https://www.stv-fst.ch/sites/default/files/2018-10/positionpapier_burkaverbot_aktualisiert.pdf (aufgerufen am 23.11.2020)

[5] Quelle: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/tourismus/beherbergung/hotellerie/kantone.assetdetail.14843201.html (aufgerufen am 23.11.2020)

[6] Quelle: https://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/standarddas-arabische-maerchen-ist-vorbei/story/10340945 (aufgerufen am 23.11.2020)

[7] Quelle: https://www.srf.ch/news/wirtschaft/burka-verbot-schweizer-tourismus-in-gefahr (aufgerufen am 23.11.2020)

[1] Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/181644/umfrage/beliebteste-reiseziele-aller-nationen-nach-besucher/ (aufgerufen am 23.11.2020)

[2] Quelle: https://www.statistik.at/web_de/statistiken/wirtschaft/tourismus/index.html (aufgerufen am 23.11.2020)

[3] Quelle: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/tourismus/beherbergung/hotellerie/kantone.assetdetail.14843201.html (aufgerufen am 23.11.2020)

Zum Kapitel "Die SP zu Burka und Verhüllungsverbot"

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